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Erik Lehmann,

 

am 06. Februar 1984 in Leipzig geboren, schrieb das Drehbuch von „secundenschlaf“ im November 2003 und filmte mit seinem Team im Juli 2004 in der Nähe von Zwickau. Erik Lehmann besuchte bis 2003 das Clara-Wieck-Gymnasium in Zwickau, wo er sein Abitur machte. 2000/2001 war er als Austauschschüler in Brenham/ Texas in der elften Klasse einer Highschool. Er spielt Klavier, liebt die Schauspielerei, politisches Kabarett und das Regie führen und ist seit 2001 Mitglied im Kinder- und Jugendtheater MondstaubTheater Zwickau. Nach der Schule absolvierte er ein freiwilliges kulturelles Jahr im MondstaubTheater, wo er Erfahrungen in der Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen sammelte und sein erstes politisches Solokabarettprogramm wie auch das Jugendstück „Alles bestens!“ schrieb und aufführte.

 

Wie kamst du auf die Idee, dieses Drehbuch zu schreiben?

Ich wollte eine Geschichte über das Phänomen Erinnerungen erzählen. Dem Jungen, dem ich diesen Film widme, habe ich nie persönlich kennen gelernt, obwohl ich viele Menschen aus seinem damaligen Umfeld kenne und auch meine gesamte Familie ihn gekannt hat. Das hat mich ziemlich traurig gemacht, auch in Anbetracht des tragischen Umstands, unter dem er umgekommen ist. Als ich dann vor seinem Grab stand und weinen musste, obwohl ich ihn nicht kannte, wusste ich, dass ich für ihn etwas ganz Besonderes machen wollte.

 

Du wirfst noch ganz andere Themen auf?

Ich habe in diesen Kurzfilm ziemlich viel reingepackt. Da spielt zum Beispiel auch das Thema Angst eine große Rolle, was mich seit jeher fasziniert. Die Fragen, was uns Angst macht und warum, stellen wir uns viel zu selten und am ehrlichsten sind da immer noch die Kinder. Sie können Gefühle offen zeigen. Ein anderes Thema war für mich Freundschaft, das ich unbedingt mit unterbringen wollte. Deswegen habe ich die Handlung in gewisser Weise traurig enden lassen und wollte auch Freundschaft als eine Art Illusion interpretieren, die am Ende jeden in seine eigene Richtung gehen lässt und nur durch Erinnerungen gehalten werden kann.

 

Wie hast du deine Teammitglieder gefunden?

Kennen gelernt haben wir uns durch unser freiwilliges kulturelles Jahr, auch wenn wir uns nur auf vier Seminaren gesehen haben. Die Idee habe ich im März 2004 angesprochen und unser Abschlussseminar im Juni war dann schon von regen Vorbereitungen geprägt. Und so kam es, dass Technik und Cutter aus Dresden, der Kameramann aus Leipzig und der Regisseur aus Zwickau waren. Peter, der die Filmmusik geschrieben hat, kenne ich seit der achten Klasse und wir hatten schon als kleine Jungs davon geträumt, einen Film zusammen zu machen. Die beiden Schauspieler-Kinder habe ich während meines freiwilligen Jahres im MondstaubTheater Zwickau kennen gelernt und für dieses Projekt ausgesucht.

 

Wie hast du mit den Jungs gearbeitet?

Das Arbeiten mit den beiden war gar nicht so schwierig, da wir uns schon lange kannten und ich schon einige Male ihre Theatergruppe geleitet hatte. Es musste also erst einmal kein Eis gebrochen werden und die Erfahrungen, welche die beiden aus der Theaterarbeit hatten, waren sehr hilfreich. Aber es war teilweise recht schwer, ihnen den Sinn und die Richtung des Projektes zu vermitteln. Das Drehbuch war sehr technisch und symbolisch geschrieben und die Themen Tod und Trauer sind etwas sehr Fremdes für Jungs in diesem Alter. Im Film wollte  ich zwei Charaktere, die sehr ruhig und überlegt handeln. Das forderte eine Menge an Konzentration von den Jungs und war ihrem Temperament völlig entgegengesetzt inszeniert. Obwohl die Konzentration und die Disziplin am Set nicht immer vorbildlich waren, was aber auch an der Hitze und den langen Drehzeiten lag, bin ich mit der Leistung der Jungs sehr zufrieden.

 

Waren die Kameraabläufe und Schnitte alle so geplant?

Teilweise. Wir haben ein Storyboard mit über fünfzig Bildern gezeichnet, die einen groben Überblick über die Handlung boten. Die Schnittfolge war weitgehend festgelegt, aber die einzelnen Bilder werden vor Ort natürlich den Gegebenheiten entsprechend anders aufgezeichnet als man sich das vorher ausgedacht hat. Am Anfang des Films hält die Kamera sich eher zurück, aber sobald die Angst des Jungen aufkommt und er anfängt zu rennen, mischt sie sich mit ein und bleibt dicht dran. Das hat Georg dann auch selbst in die Hand genommen und seine eigene Dynamik in die Bilder gelegt. Die Rennszenen waren zum Teil auch nicht durch das Storyboard vorgegeben und somit hatten wir drei verschiedene Sammlungen von Zwischenschnitten, die Georg, Sebastian und ich jeweils mit Moritz frei inspiriert gedreht haben.

 

Warum sollte es ein Kinderfilm werden?

Weil mich dieses Genre fasziniert. Viele meiner Lieblingsfilme sind Kinderfilme oder Coming-of-Age-Filme. Ich glaube es hätte nicht funktioniert, wenn ich Jugendliche ins Feld gestellt hätte. Wären denen Tränen übers Gesicht gelaufen, wäre das vielleicht unglaubhaft und depressiv geworden. Kinder haben etwas Unschuldiges, eine eigene Welt und deswegen wollte ich trotz des traurigen Themas helle und schöne Bilder haben, die am ehesten in der Phantasie eines Kindes Platz finden. Ich wollte mich aber auch davor hüten, ein typisches Filmkindklischee zu bedienen und die Jungs als Standardkinder zu zeigen.

 

Wieso wird im Film nicht gesprochen?

Wird doch. Die beiden Namen werden ausgesprochen und das auf ganz unterschiedliche Art und Weise, was die beiden Charaktere verstärken soll. Ich habe allgemein auf Sprache verzichtet, weil ich die Bilder und die Musik sprechen lassen wollte. Zugegebenermaßen fehlte uns aber auch entsprechende Technik und das nötige Know How und der vorhandene Dialekt kann beim Zuschauer auch zu Lachern führen, die in diesem Film nicht gepasst hätten.

 

Was willst du mit dem Film erreichen?

Ich habe mit diesem Film eine sehr persönliche Sache behandelt, die der Zuschauer nur teilen kann, wenn er das will. Ich wollte auch nicht auf die Tränendrüse drücken und den Zuschauern ein persönliches Schicksal aufzwingen, aber wer sich von den Bildern einfangen lässt, kann für sich selbst viele eigene Erinnerungen mitnehmen. Ich habe nach dem Dreh in einem Filmmagazin einen Satz gelesen: „...denn es geht nicht um Begreifen und Kapieren, sondern um Fühlen und Empfinden.“ Das entspricht genau meiner Aussage. Und ich habe als Umsetzung einen Kinderfilm gewählt, weil ich einen tiefgehenden Gedanken mit den fröhlichen Augen eines Kindes zeigen wollte, auch wenn es Angst hat und diese letztendlich besiegt.

 

Sollte dein Film nicht verstanden werden?

Für mich ist ein Film eine Abfolge von Bildern und deswegen sollten die Bilder etwas übermitteln und nicht irgendein Text. Das ist natürlich sehr schwierig und ich habe zusätzlich noch viel Symbolik mit einbezogen, zum Beispiel der Tausch eines lebendigen und eines toten Gegenstands, die als Erinnerungsstücke zurückbleiben. Oder auch die Farbsymbolik von schwarz und rot. Es lässt sich viel hineininterpretieren und jemand der sich mitnehmen lassen will wird das auch hinterfragen, jemand den es nicht interessiert hat wenigsten schöne Bilder gesehen. Wir suchen ständig den Sinn in Allem. Ich aber wollte eine traurige Sache, in der man das Schöne sieht. Das ist die Aussage dahinter.

 

Würdest du den Film als deinen Stil bezeichnen?

Es war ja mein erster Kurzfilm. Von Stil kann man da noch nicht reden, außerdem haben wir uns auch an zahlreichen anderen Filmen orientiert, aber eine Art von Gefühl wollte ich schon rüberbringen. Der Film „Das Leben ist schön“ von Roberto Benigni zum Beispiel, ist für mich die schönste Lügengeschichte die je erzählt wurde. Da erfindet ein Vater verrückte Geschichten die nur auf Lügen basieren, um seinen Sohn vor der Realität zu schützen. Erwachsene finden diesen Film traurig, Kinder mögen ihn aus ganz anderen Gründen. Und da ich mich gegen das Erwachsene in mir nicht wehren kann, habe ich am Ende auch Tränen vergossen, und konnte trotzdem mit einem Lächeln aus dem Kino gehen. Wenn das ein Film erreicht, ist das großartig.

 

Ist ein neues Projekt geplant?

Ja, es soll wieder ein Film mit und für Kinder werden und ich schreibe gerade das Drehbuch und sammle Ideen. Es wird wieder viele visuelle Leitfäden geben, die die Geschichte diesmal aber nicht führen, sondern nur begleiten sollen. Es wird auch eine eindeutige Handlung geben, Dialoge und vor allem Witziges und es werden mehr Kinder unterschiedlichen Alters mitspielen, die auch einen ganz spezifischen ausgearbeiteten Charakter haben sollen. Die Story hat ein sehr zeitgemäßes Thema und bis jetzt ein sehr moralisches Ende. Ob ich mich damit anfreunden werde, wird sich zeigen. Zur Zeit überarbeite ich es ständig.